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Rosemarie Lierke
Antike Glastechnologie / Ancient Glass Technology

Die Hedwigsbecher

Die Arbeit für eine lange geplante Seite über die Hedwigsbecher wurde unerwartet zu einem spannenden Abenteuer. Neue Erkenntnisse fügten sich in einer Indizienkette überraschend zu einer Lösung des seit 150 Jahren schwelenden Rätsels um die Herkunft dieser faszinierenden Gefäße. Es entstand ein schmales Buch: ‘Die Hedwigsbecher - das normannisch-sizilische Erbe der staufischen Kaiser’.

112 S., 42 Abb., 2 Tafeln, ISBN 3-938646-04-7, F. Rutzen Verlag, Mainz/Ruhpolding, Euro 28,-

Ergänzende Informationen und Reaktionen auf das Buch:

Die Hedwigsbecher -
das normannisch-sizilische Erbe der staufischen Kaiser

Vorausgeschickt zwei Korrekturen

Fußnote 44: Die hier angegebene Web-Adresse lautet korrekt  www.henry-davis.com/MAPS (ich danke F. N. Allen für diesen Hinweis).
Fußnote 37: Statt M. Andaloro muss es R. Bauer heißen.

 

Die ersten Reaktionen auf das Buch waren sehr positiv. Am meisten erfreuten mich mehrere Schreiben mit Bestätigungen und Ergänzungen, insbesondere auch zum wichtigsten Teil meiner Geschichte, der Erklärung der die Hedwigsbecher-Löwen begleitenden Schilde (siehe Abb.). Diese wurden auch in meinem Beitrag anläßlich des diesjährigen AIHV-Kongresses in Antwerpen besprochen L2009a. Die Gleichung Sizilien  =  Dreieck geht auf die griechische Mythologie zurück. Das Sternbild Triangulum wird auch Sicilia genannt.

Dr. R. Koch (der Autor des Vorworts), fand einen Vergleich Siziliens mit dem griechischen Buchstaben Delta in Pomonius Mela, Kreuzfahrt durch die Alte Welt (zweisprachige Ausgabe durch Kai Brodersen S. 134/135). Sizilien = Dreieck oder Sizilien = Triangulum wird auch bei Strabon, Hyginus und möglicherweise weiteren antiken Autoren erwähnt.

Francis N. Allen, Autor von ‘The Hedwig Glasses - A Survey’ (1987), suchte unter “+sicily +triangle” im Internet und war überrascht vom Ergebnis. Er schreibt: “About the triangles. I do believe you are absolutely correct about them. The origins of the Hedwig Glasses, at least the Lion ones, were right there for us to see all along - just like a trade-mark!”

Dr. I. Krueger, RLM Bonn, ergänzte eine wichtige Information über die angebliche Rolle des Bischofs Jacques de Vitry. Es gilt in der Regel als Tatsache, daß er zwei Hedwigsbecher nach Namur brachte. Aber die Liste seiner Geschenke enthält keine Gläser! Es ist eine unbewiesene Annahme von F. Courtoy (Annals de la Socièté Archéologique, Namur 36, 1923, p. 157), daß die Becher als Behälter von Reliquien nach Namur kamen. In meinem Buch betrachtete ich die Überbringerrolle des Jacques de Vitry angesichts der familiären Beziehungen des Stauferkaisers zu Namur als überflüssig. Da de Vitry’s aktive Zeit im frühen 13. Jh. lag, wäre er auch ein recht später Überbringer für neue Gläser gewesen.

Dr. H. Trnek, KHM Wien, machte mich auf einen neuen Aufsatz von Francesca dell’Acqua aufmerksam (Römisches Jb. der Bibliotheka Hertziana 35/4, 2003, 49-79, München, Hirmer 2005). Er schließt aus den durch dell’Acqua vermittelten Fakten (z. B. kleine farbige Glassterne oder Rondelle als Scheiben oder Inlays an verschiedenen Stellen in Palermo), daß in Sizilien tatsächlich Sarazenen in einer islamischen Tradition mit Glas arbeiteten. Die einzige Evidenz über Glas und/oder Glasverarbeitung in Sizilien, die ich bisher hatte (siehe Fußnote 57) betraf dünnwandig geblasenes Glas - sehr verschieden von den Bechern. Doch kleine Glasscheiben wurden üblicherweise nicht geblasen. Sie wurden sehr wahrscheinlich gepreßt um in die gewünschte Form zu passen - eine Herstellungsmethode, die mit der vorgeschlagenen alternativen Herstellung der Becher verwandt ist.

(09.11.05, deutsch 16. 9. 06
 

Im Herbst 2006 erschien der Tagungsband des Orientalistentages 2004 in Halle: A. Hagedorn, Hrsg. “The Phenomenon of ‘Foreign’ in Oriental Art”, Wiesbaden 2006. Er enthält den aktualisierten Beitrag von Dr. Jens Kröger, Direktor des Islamischen Museums in Berlin: ‘The Hedwig Beakers: Medieval European glass vessels made in Sicily around 1200’.

Zitat, S. 34: “In 2005 Rosemarie Lierke reproduced the 13 Hedwig beakers for the first time in colour and catalogued both the beakers and fragments from archaeological excavations, analysed the techniques of their production and assembled evidence for a manufacture in Sicily during the reign of William II of Hauteville who reigned from 1166-1189, and thus gave the studies on the Hedwig beakers a decisive direction.”

Dr. Kröger konzentrierte sich in seiner umfangreichen Untersuchung vor allem auf die Muster der ornamental dekorierten Becher - das ist besonders vorteilhaft, da ich in meinem Buch im wesentlichen nur figural dekorierte Becher behandle. Sein aktualisierter Titel ist Anlaß zur Hoffnung, daß ein 150-jähriger Streit über die Herkunft der Hedwigsbecher zumindest unter den damit befaßten Spezialisten endlich ausgestanden ist. 
                                                                                                                                                              
(1. 12. 2006)

 

Ein weiteres Indiz für die sizilische Provenienz der Hedwigsbecher

In Philip Grierson, Lucia Trapani, Medieval European Coinage Vol. 14, Cambridge 1998 finden sich zwei Münzen aus der Regierungszeit des letzten normannischen Königs von Sizilien, die über dem Initial des Königs ein Teilmotiv des Breslauer Bechers zeigen. Bisher war für dieses Motiv keine Parallele bekannt. Andere Münzen dieses Königs zeigen einen schreitenden Löwen, einen Löwenkopf oder einen Greif. (mehr darüber in Annals 17th congr. AIHV L2009a). Die Regierungszeit des letzten normannischen Königs Wilhelm II ist genau die Zeit, in die nach den Grabungsfunden und anderen Überlegungen die Herstellung der Hedwigsbecher datiert werden muß. Die Münzbilder sind ein weiterer hervorragender Beleg für die Gültigkeit dieser Zuordnung.                                                    (16. 9. 06)

                                                                                                                                                                                                                        

Kritik einer online-Rezension des Hedwigbecher-Buches

Der Rezensent Dr. Hannes Möhring (www.kunstbuchanzeiger.de) hat selbst in ‘Saladin und die Kreuz- fahrer’, Mannheim 2005, 441/2 eine syrisch-palästinensische Provenienz der Becher vertreten. Es ist verständlich, daß er nun versucht, eine andere Zuordnung abzuwehren. Um dem evtl. verunsicherten Leser zu helfen, gebe ich hier eine Gegenüberstellung einiger weniger Argumente. Ein weiterer Kommentar erübrigt sich durch meinen Beitrag in Annals 17th congr. AIHV L2009a.

Möhring

Lierke

 

Capella Palatina, Arabischer Maler um 1150, Detail

„Es ergibt sich ... aus der Darstellung eines bärtigen Herrschers, der in seiner rechten Hand einen Glas- becher ohne Facetten hält, daß die Facettierung wohl kaum als ein besonderes Merkmal kostbarer Glasbecher aus Sizilien gelten kann...“

 

 

 

Dieses Bild entstand vor der Regierungszeit Wilhelms II. Das dargestellte Glas kann deshalb noch kein Hedwigsbecher und muß auch kein facettiertes Glas sein. Es läßt sich allerdings angesichts der feinen senkrechten Linien darüber streiten, ob es nicht doch gerade letzteres darstellen soll !

 

 

Lierke Abb. 29, Löwenkopf (Brunnenkopf) aus Bergkristall, Badisches Landesmuseum Karlsruhe

“…seine Ähnlichkeit [zu den Hedwigs- becher-Löwenköpfen] beschränkt sich auf die Schraffierung der Mähne. Abgesehen davon, daß diese im Falle des Karlsruher Löwenkopfes erheblich feiner ist, fällt beim Vergleich auf, daß die Schraffierung der dadurch besonders herausgearbeiteten Nase nicht den Löwen der Hedwigsbecher entspricht, deren Nasen nicht eigens betont, sondern kaum zu erkennen sind (Lierke Abb. 4 und 31). Auch der Mähnenansatz ist gänzlich anders. Wenn also der Karlsruher Löwenkopf aus Sizilien stammt, so spricht er nicht dafür, sondern eher dagegen, daß dort auch die Hedwigsbecher hergestellt wurden.”

 

Der sizilische Bergkristall-Löwenkopf liefert die einzige mir bekannte Parallele für die gewinkelte Schraffierung der Becher- Löwenmähnen. Die Schraffierung (Abstand der Schraffen) ist auf dem Bergkristallobjekt nicht „erheblich feiner“, sondern gröber (vgl. Taf. 1, Maßstab und Perspektive berücksichtigt).

Ein Hedwigsbecher-Löwenkopf hat eine Fläche von ca 2x2 cm2 bis knapp 4x4 cm 2, die etwas abgeflachte ‚Gesichtsfläche’ der Rundplastik ca 12x12 cm2. Die Löwenköpfe der Becher können deshalb zwangsläufig nur wenige Details zeigen. Trotzdem wird der Nasenrücken durch eine Kerbe markiert  und auf größeren Bechern gibt es 2-3 Schnurhaarkerben (siehe Abb.). Verblüffend ähnlich sind die eng- und vorstehenden großen runden Augen (mit Einlagen beim Brunnenkopf).

Warum also soll der Brunnenkopf-Löwe gegen eine sizilische Herkunft der Becher sprechen?  

 

 

[Gegen die Deutung der Dreiecke in den Schilden als Darstellung Siziliens] ... sprechen jedoch zwei Gründe:

a) Auf zwei ... Hedwigsbechern (Halberstadt und Namur ornamental) finden sich Ellipsen, die ein auf der Spitze stehendes Quadrat umschließen (vgl. Lierke Tafel 1). Infolgedessen ist es im Falle der schildartigen Dreiecke wohl nicht mehr als das Dreieck im Dreieck, das den Künstler als geometrische Figur von vielleicht magischer Bedeutung gereizt hat.“

b) Die von Lierke versuchte Erklärung scheitert auch am Dekor des in Amsterdam befindlichen Hedwigsbechers, der zwei schildartige Dreiecke zeigt, die jeweils ein größeres oberes und ein kleineres unteres Dreieck umschließen, wobei das größere Dreieck durch ein inneres Dreieck viergeteilt ist (Abb. 36). Lierke (S. 66) glaubt mit den Dreiecken die vier Teile des normannischen Königreiches gemeint, deren Namen Roger II. in seiner Titulatur trug: Italien, Langobardien, Kalabrien und Sizilien. Welchen Sinn hätte dann aber das untere Dreieck? Es wäre bei einer solchen Interpretation überflüssig. Sollte es jedoch für Sizilien stehen, so dürfte das größere obere Dreieck nicht viergeteilt, sondern müßte dreigeteilt sein.

 

 

a) Weshalb sollen Ellipsen mit eingeschriebenen Rauten auf zwei ornamental dekorierten Bechern dagegen sprechen, daß die bei allen figural dekorierten Bechern auffällig über den Löwen auftretenden Schilde (insgesamt 14!) mit eingeschriebenem Dreieck eine besondere Bedeutung haben?  Es handelt sich in jedem Fall um einen Schild mit Dreieck und nicht um ein Dreieck im Dreieck.

Zu der Bedeutung Dreieck = Sizilien ist sehr erhellend, Sicily triangle zu googeln ! [In Annals 17th congr. AIHV wird außerdem die astrologische Bedeutung der Schilde Dreieck = Triangulum = D  = Sizilien erwähnt werden – eine magische Deutung erübrigt sich].

b) Ich sehe im oberen Teil der 2 singulären Amsterdamer Schilde drei Delta-förmige Dreiecke (abgeteilte Ecken), die die normannischen Machtbereiche auf dem Festland bedeuten könnten. Das läßt das untere Dreieck für die Insel Sizilien.

Für eine mögliche astrologische Erklärung siehe Annals 17th congr. AIHV in prep..


(16. 9. 06, geringfügig ergänzt 27. 9. 06)

Die Rezension eines prominenten und mit dem Thema vertrauten
Rezensenten siehe: Jens Kröger, Germania 85, 2007/2, 479-482. 

 

Ein Beitrag über den Mindener Hedwigsbecher erschien in: Mamoun Fansa, Karen Ermete, Hrsg., Kaiser Friedrich II. (1194-1250). Welt und Kultur des Mittelmeerraums. Zabern Verlag, Mainz 2008 [399-400].

 

Eine irrtümliche Zuschreibung: 2010 erschienen die repräsentativen Bände von D. Whitehouse über ‘Medieval Glass for Popes, Princes, and Peasants’, und über ‘Islamic Glass in the Corning Museum of Glass Vol. I’. Sie enthalten jeweils ein kurzes Kapitel über die Hedwigsbecher. Während D. W. die Herkunft der Becher aus dem normannischen Sizilien unter Wilhelm II und meine Erklärung für ihre Überführung nach Mitteleuropa als mögliche Lösung der ungelösten Herkunftsfrage voll akzeptiert, irrte er in der Zuschreibung dieser Lösung, für die er Rudolf Distelberger und Jens Kröger zitiert. Rudolf Distelberger lieferte in der Tat mit seinem Beitrag über die Bergkristallgefäße im Ausstellungskatalog der Ausstellung ‘Nobiles Officinae’ in Wien einen wichtigen Grundstein, und unterstützte mich dankenswerterweise mit diesem Thema auch als Ko-Autor. Jens Kröger hat die normannisch-sizilische Provenienz als erster in seiner Arbeit übernommen. Seine Zuordnung ist hier wiedergegeben. D. W. hat sich inzwischen freundlicherweise entschuldigt: “My error was inadvertent and, if I ever refer to Hedwig beakers again, I shall be sure to make amends.”
(August 2010)

 

 

 

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