D    Home   Publikationen   Glastöpferei  T echniken   Kameoglas   Diatretglas   Hedwigsbecher   Craqueléglas   Werdegang    

E   EnglishHome   Publications   GlassPottery   Techniques    C ameoGlass   CageCups    HedwigBeakers   Craquele    Vita    E

Rosemarie Lierke

Antike Glastechnologie / Ancient Glass Technology

Kameoglas

Die erkennbaren Herstellungsspuren und ihre Erklärung

Text I.  Kameoglas - mehr Evidenz für die Heißformung

Die Heißformung des Kameoglases in der neueren Literatur

Text II.  Kann man einige Kameogläser früher datieren?

 

Publikationen von Lierke u. a. L1996a (viele Detailphotos); L1997b (kurzer AIHV-Annals Artikel);
2 Artikel über “Recent Investigations of Early Roman Cameo Glass” in Glastechnische Berichte: I.
Lierke/Lindig 1997 (manufacture, 1st investigations of internal scratches); II. Mommsen et al.(X-ray Fluorescence Analyses, Glastech. Ber. 70/7, 1997, 211-219); L1999 (Kapitel Kameoglas in ‘Antike Glastöpferei’, Beiträge Lierke, Mommsen, Simon, Weiss; English Summary); L2002b (interne Kratzer, Untersuchung RGZM und Fraunhofer Gesellschaft); L2004a Leser-Diskussion in ‘Minerva’; L2009a (Kapitel Kameoglas). L2011b (ausführliche Zusammenfassung bisheriger Erkenntnisse, English Summary); kurzgefasst gleiches Thema online L2011a. ( Literaturergänzungen 03. 05. 2012)

 

Heißformung von Kameoglas - das Prinzip  
          

Glasmehlfüllung

Rand fließt

gekühlt

Pressen

Modell

  heißes Glas   

Absenken

Andrücken

Gipsform

Erkennbare Herstellungsspuren und ihre Erklärung

Anhand der beiden eindrucksvollen Kameogefäße im Britischen Museum, der Auldjokanne (GR 1840.12-15.41) und der Portlandvase (GR 1945.9-27.1), wird im Folgenden eine Auswahl von Herstellungsspuren erwähnt, die ein aufmerksamer Museumsbesucher erkennen kann.

Die Auldjokanne: 1. Der Henkel ist oben homogen ohne Ansatz mit dem Gefäß verbunden, das heißt Gefäß und Henkel sind aus einem Stück (bestätigt durch M. Bimson in D.B. Harden, JGS 23,1983, 51). Was bedeutet das? Gefäß und Henkel sind offenbar gleichzeitig geformt worden, das heißt der Henkel wurde nicht nachträglich angesetzt, wie das beim geblasenen Glas üblich ist. Er wurde aus einem zumindest einseitig viel längeren Hals ausgeschnitten bzw. pressend geformt. Dafür spricht auch das offenbar gepreßte, nicht geschliffene Muster auf dem Henkel. An seinem unteren Ende wurde der Henkel mit einem heißen Glasbatzen ohne Rücksicht auf den bereits vorhandenen, also nicht erst nach dem Erkalten geschnittenen Dekor geschmolzen.

2 . Die Wandung hat sich beim Ansetzen des Henkels mit dem Dekor verzogen. Was bedeutet das? Wie aus der Zeichnung erkennbar wird, scheint das Gewicht des Henkels den Korpus mit Dekor verzogen zu haben, als das Gefäß bei der Herstellung noch plastisch verformbar war und kopfüber auf einem pilzförmigen, leicht entfernbaren Gipskern hing [siehe Kameoglas/ Heißformung oben für den pilzförmigen Gipskern. Die Zeichnung zeigt leider keinen Henkel]. 

3 . Der mitten um das Gefäß laufende, oberflächlich gerundete weiße Reif ist ebenfalls verzogen. Was bedeutet das? Ein zu schneidender Reif wäre auf dem erkalteten Schleifrrohling vorgezeichnet worden und deshalb mit Sicherheit horizontal und geradlinig. Außerdem wäre die Oberfläche eines Reifs, der aus einem zweischichtigen Glas geschnitten wurde, wohl kaum so perfekt gerundet, da jede geschnittene konvexe Rundung aus kleinsten nebeneinander gesetzten Schleiffacetten ‘modelliert’ werden müsste - und das wäre ein erheblicher Arbeitsaufwand. Alles spricht dafür, daß  der gerundete Reif aus einer Form kommt und sich im noch heißen Zustand verzogen hat.

4. Wo bei den Ranken der weiße Kameodekor abgeplatzt ist oder abgerieben wurde, ist darunter gerundetes dunkles Glas erkennbar und das Entsprechende gilt für den teilweise sichtbaren Querschnitt eines Blattes unterhalb einer einfarbigen Ergänzung des nur fragmentarisch erhaltenen Gefäßes. Ein Pfeil zeigt auf die Stelle, wo das dunkle Glas in den weißen Dekor eindringt .Was bedeutet das? Ein zweischichtig geblasener Schleifrohling hätte immer eine glatte Grenze zwischen den beiden verschieden gefärbten Schichten, das dunkle Glas würde nie in eine aus der weißen Schicht geschnittene Wölbung eindringen. Die Auldjokanne kann deshalb nicht aus einem Überfangrohling (zweischichtig geblasenes Glas) geschnitten worden sein.

Ergänzung: die gelegentlich geäußerte Vermutung, die Schleifrohlinge der Kameogläser könnten zweischichtig in eine Form geblasen worden sein, ist unrealistisch. Kein einziges Kameoglas, egal ob dick- oder dünnwandig,  zeigt auf der Innenseite irgendwo die Spur eines Reliefs, wie es bei formgeblasenem Glas zu erwarten wäre.


Die Portlandvase: Die Portlandvase läßt nur wenige Werkspuren erkennen, da sie aufgrund ihrer Geschichte mehrfach restauriert wurde und heute eine beispiellose Hochglanzpolitur trägt, die vermutlich auf eine frühere Restaurierung zurückgeht. Doch auch die wenigen Spuren zeigen bei genauer Betrachtung, dass der Kameodekor nicht geschliffen wurde.

1 . Die Hörner am unteren Henkelansatz wurden nicht bearbeitet (zuerst beschrieben durch E. Simon 1957, bestätigt durch B. Ashmole) . Was bedeutet das? Es gibt keinen Grund, bei einem geschnittenen Dekor den Henkelansatz unbearbeitet zu lassen, aber bei den Kameogefäßen ist das generell der Fall. Es gilt nicht nur für die Portlandvase sondern natürlich auch für die Auldjokanne und das Beispiel des Chariot Skyphos auf dieser Seite. Mehr oder weniger gekonnt wurde in allen Fällen das untere Ende des Henkels mit einem heißen Glasbatzen auf den bereits vorhandenen Dekor aufgeschmolzen. Dieser Dekor kann nicht geschliffen worden sein, da man einen geschliffenen Dekor nicht wiedererhitzen kann (insbesondere nicht, wenn wie bei der Portlandvase das weiße Glas einen niedrigeren Schmelzpunkt hat als das dunkle Glas). Das bedeutet also, dass der Kameodekor aus einer Form kommen muß. Weder der Henkelansatz noch der restliche Dekor wurden geschliffen.

2 . Es sind keine Fehler erkennbar, die durch Schleifen oder Schneiden entstanden sind, wohl aber Modellierfehler. Ein Beispiel für einen Modellierfehler ist der vordere Fuß der sitzenden Dame mit Stab (siehe Text I, Abb.Fuß). Was bedeutet das? Dieser Modellierfehler ist eine Bestätigung dafür, dass der Kameodekor überhaupt nicht geschnitten worden ist, anderenfalls wäre es ein Leichtes gewesen, den Fuß etwas nachzuschleifen, um die Deformation zu beseitigen.

3. Neben dem deformierten Fuß sind im dunklen Glas leicht schräge und vertikal extrem langgestreckte Blasen erkennbar (beschrieben durch W. Gudenrath und D. Whitehouse). Die Blasen im weißen Glas daneben sind annähernd rund. Was bedeutet das? Bei einem zweischichtig geblasenen Schleifrohling wären die Blasen in beiden Schichten annähernd gleich- oder gar nicht gedehnt. Das heißt wiederum, die Portlandvase wurde nicht aus einem Überfangrohling (zweischichtig geblasenes Glas) geschliffen [siehe auch Text I.1]


Beiden bzw. allen bekannten Kameogefäßen gemeinsam ist die undekorierte obere Partie (kein Dekor auf den Henkeln, am Hals oder Rand). Für den Museumsbesucher nicht sichtbar sind die für die Herstellung signifikanten Spuren der Innenseite. Sie wurden auch bisher in der Literatur nur selten erwähnt und wenn, dann nicht korrekt gedeutet (Portlandvase: richtig ‘umlaufende Kratzer’ statt ‘Schleifspuren’, siehe
Text I,1, Auldjokanne: für die vertikalen Spuren im Hals besser ‘Fließspuren’ statt ‘Blasspuren’(solche Spuren treten bei anderen geblasenen Gefäßen nicht auf!) [L1996a, Abb.3; 31; Harden JGS 25, 1983, siehe auch hier (Referenz zu S. 623)]. In jedem Fall unterscheiden sich beide Gefäße durch diese Spuren von geblasenem Glas. Das gilt auch für die anderen frühen Kameogefäße. Alle bisher festgestellten Merkmale können mit einer Heißformung des Kameoglases erklärt werden.

In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen wurde das Problem der Kameoglasherstellung eingehend untersucht. Mit einer Sachbeihilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft konnten viele Originalgläser und -fragmente inspiziert und einige Experimente durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Untersuchungen fanden seit 1996 ihren Niederschlag in mehreren Publikationen, siehe die Aufzählung am Beginn dieser Seite. Bei meinem letzten Besuch im Britischen Museum am 13.03.06 ermöglichte P. Roberts freundlicherweise, im Beisein von Dr. E. M. Stern das Innere der Portlandvase zu untersuchen. Es stellte sich heraus, daß die typischen innen umlaufenden Kratzer (unbekannt bei geblasenem Glas) bei diesem Gefäß besonders wohlerhalten ausgeprägt sind.

An dieser Stelle sei allen besonders gedankt, die trotz unterschiedlicher Ansichten Zugang zu den in ihrer Obhut befindlichen Kameogefäßen und Fragmenten ermöglichten. Es gibt insgesamt neben einigen Kameoplatten 12 erhaltene Gefäße und ca. 200 Fragmente. Davon konnten insgesamt 6 Gefäße, 2 Platten und zahlreiche Fragmente untersucht werden. Mein Dank gilt insbesondere dem Britischen Museum für die wiederholte Gelegenheit, die kostbaren Originale des Museums zu untersuchen (Dr. V. Tatton-Brown und Dr. Paul Roberts).  

Geringfügige Änderungen zum besseren Verständnis 04. 05.12.

 

 

Der folgende Text, hier leicht ergänzt, wurde während des 15. Kongresses des AIHV, New York/Corning, 15.- 20.10. 2001, als Teil eines Posters präsentiert, aber nicht in die Annals aufgenommen. Wenn Sie zitieren wollen, erwähnen Sie bitte Autorin, Kongreß und Website mit Datum

I
Kameoglas – mehr Evidenz für die Heißformung

Intensive Untersuchungen des frühen römischen Kameoglases lieferten viele Argumente für eine Herstellung ohne Glasschnitt. Nicht auszuräumende Zweifel bestehen vor allem, daß spannungsfreie Überfangrohlinge für einen Kameoschnitt geblasen werden konnten - nur ein bis zwei Generationen nach der Erfindung des Glasblasens. Es erscheint ebenso unwahrscheinlich, daß mindestens ein halbes Jahrhundert vor den ersten Versuchen mit einfachem Intaglio-Facettenschnitt bereits zeitlose Meisterwerke des Hochschnitts entstanden. Diskussionen über das Thema haben inzwischen noch weitere Argumente für die Heißformung erbracht.

1. Gedehnte Blasen im blauen Glas wurden als Beweis dafür genannt, daß der Rohling der Portlandvase geblasen wurde [W. Gudenrath, D. Whitehouse, The manufacture of the vase and its ancient repair, J. Glass Studies 32, 1990, p. 109; in Fig. 67 dieser Veröffentlichung wird der rechte Fuß und Unterschenkel einer sitzenden weiblichen Figur aus weißem Glas gezeigt, sowie stark vertikal gedehnte Blasen im benachbarten blauen Hintergrund]. Im unteren Wandbereich eines Gefäßes ist jedoch die Blasendehnung praktisch die gleiche, egal ob das Gefäß geblasen und gestreckt oder gepreßt worden ist. Etwas anderes ist wichtig: weil die zwei Schichten eines Überfangglases gemeinsam fertiggeblasen werden, sollten die Blasen in beiden Schichten auch ungefähr die gleiche Verzerrung erleiden. Für den gegebenen Fall heißt das, wenn die Blasen im blauen Glas gedehnt wurden, sollten die Blasen im weißen Glas ungefähr genauso gedehnt worden sein. Aber im Beispiel sind die Blasen im weißen Glas im gleichen Bereich rund. Das läßt sich am besten am Original überprüfen, ist jedoch auch auf dem oben erwähnten Foto zu erkennen. Dieses Merkmal wurde bisher nicht beachtet, es ist jedoch leicht mit dem vorgeschlagenen Formungsprozeß zu erklären [siehe Kameoglas/Heißformung ]: Weißes Glasmehl wird in den Vertiefungen einer Form gehalten während das glühend heiße blaue Glas in diese Form gepreßt wird. Das weiße Glas schmilzt durch die Hitze, bewegt sich jedoch nicht vom Platz. Blasen im blauen Glas können also gedehnt werden, während die Blasen im weißen Glas rund bleiben.

2. Der rechte Fuß der oben erwähnten sitzenden Figur, hier abgebildet als Detail des Titelbildes von L1999, ist ein Beispiel für einen Modellierfehler der Portlandvase. Ein bißchen Beschleifen hätte die deformierte kleine Zehe ‘heilen’ können, doch es wurde offensichtlich nicht geschliffen. Das gleiche gilt für das linke Horn unter einem Henkel des kleinen Streitwagen-Skyphos, siehe Zeichnung [nach Sotheby’s, Ancient Glass, London, 20. 11. 1987, Abb. 137]. Ein Glasschneider würde nie die beiden Hörner mit so extrem verschiedenen Längen belassen. Die Spitze des rechten Horns wurde beim Ansetzen des Henkels von blauem Glas bedeckt. Durch Beschleifen wäre ein ‘Aufdecken’ der Spitze der rechten Horns ebenso einfach gewesen wie ein Kürzen des linken Horns.

          

3. Die Innenseite der frühen Römischen Kameoglasgefäße wird in der Regel ganz oder teilweise von umlaufenden Kratzern bedeckt. Es wurde angenommen, daß die Ursache dieser horizontalen Spuren bei der Portlandvase ein Beschleifen der Innenseite gewesen ist, durch das der Rohling auf Spannungen getestet oder diese Spannungen vermindert worden sind [W. Gudenrath and D. Whitehouse, The internal grinding of the vase, J. Glass Studies 32, 1990, p.137]. Da diese Auffassung gelegentlich noch zitiert wird, wiederhole ich eine frühere Erwiderung [L1996a, 195/196]. Bei Spannungen in einem zweischichtigen Glas (Überfang) handelt es sich immer um Druckspannung in einer Schicht [Glasschicht will sich zusammenziehen] und um Zugspannung in der anderen [Glasschicht will sich dehnen]. Das Glas zerspringt sofort, wenn die Seite mit der Zugspannung z. B. durch einen Kratzer verletzt wird. Es ist deshalb sinnlos, die Innenseite eines Überfangglases durch Schleifen zu testen, wenn die Außenseite bearbeitet werden soll. Wenn das Glas beim Beschleifen der Innenseite nicht gesprungen ist, kann es trotzdem schon durch einen Kratzer auf der Außenseite springen. Tatsächlich aber muß ein Kameoglas-Rohling völlig spannungsfrei sein - was noch heute eine sehr anspruchsvolle Aufgabe darstellt! Um eine vorhandene Spannung durch Schleifen zu entfernen, müßte eine der Schichten abgeschliffen werden - was auch keinen Sinn macht. Geblasenes Glas hat keine Kratzer, sondern es ist innen glatt. Warum und wie sollte ein geblasener Rohling auf seiner ganzen Innenseite geschliffen werden - etwa ein enghalsiges Balsamarium wie auf der Zeichnung oben rechts [ein reales Beispiel in L2002b und L2003b]? Die umlaufenden Kratzer sind in Wirklichkeit die Spuren des rotierenden Pressens. Unabhängige Untersuchungen der umlaufenden Kratzer im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz und im Fraunhofer Institut für Silicatforschung, Wertheim/ Bronnbach haben inzwischen anhand eines repräsentativen Beispiels bestätigt, daß die typischen Kratzer antiker Gläser keine Schleifspuren sind [L2002b ].                                                                      R. Lierke, 20. 7. 2003

 

Die Heißformung des Kameoglases in der neueren Literatur

Die Heißformung des Kameoglases wird inzwischen in mehreren Veröffentlichungen bestätigt: Hier 3 Beispiele: Besonders wichtig waren die Untersuchungen von Carina Weiß und Ulrich Schüssler, Kameoglasfragmente im Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg und im Allard Pierson Museum Amsterdam, Jb. des Deutschen Archäologischen Instituts 115, 2000. Neben Beispielen und Argumenten für die Heißformung von Kameoglas konnte vor allem anhand eines Würzburger Fragments eindeutig ausgeschlossen werden, dass es sich bei den internen Kratzern um Schleifspuren handelt.

Ursula Liepmann, Ein augusteisches Kameoglas im Kestner-Museum zu Hannover. Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte Bd. 41 (2002) S. 9 – 36, stellt in einer ausführlichen technologischen, stilistischen und chronologischen Analyse ein Objekt aus der Sammlung des Namensgebers des Museums vor. Erwähnenswert ist das von anderen Kameo-Beispielen bekannte Phänomen, dass sich bisweilen das Relief in den dunklen Hintergrund fortsetzt. Das Hannover’sche Kameoglas zeigt zwei männliche Figuren, deren eine auf den ersten Blick einen etwas flachen Scheitel zeigt, während der zweite Blick dessen Fortsetzung im dunklen Glas enthüllt. Dieses Detail kann man hier schwerlich als bewusstes Stilmittel erklären und für seine ‚mystische’ Wirkung bewundern – wie bei anderen Beispielen, wo das gleiche Phänomen als Zeichen für die hohe Kunst des Römischen Kameoglasschnitts gewertet wurde. Bei der Heißformung tritt dieses Phänomen automatisch auf, wenn der negativ eingegrabene Dekor in der Form nur unzureichend mit weißen Glasmehl gefüllt wurde und das aus dem Pulver geschmolzene weiße Glas den dunklen Untergrund nicht vollständig bedeckt [siehe die Abbildung einer kleinen Kameoplatte unter Glastöpferei /Abb. f ]. U. Liepmann schließt sich der Erklärung durch Heißformung an und findet auch andere Details in Übereinstimmung damit. 

Eine besondere Rolle spielen die Ergebnisse von Eloisa Dodero,
Il vetrocammeo nella prima età imperiale: una sintesi.
Facta, A Journal of Roman Material Culture Studies, Pisa 2 (2008) 39-59. Dodero untersuchte die Kameofragmente des Britischen Museums in London und des Thorvaldsensmuseum in Kopenhagen und fand bei der Gelegenheit Hinweise, die für die Heißformung des Kameoglases sprechen. Es ist bedauerlich, dass ihre Arbeit im 2010 erschienenen Kameoglaskatalog des Britischen Museums nicht erwähnt wurde.

Zu diesem Katalog: P. Roberts, W. Gudenrath, V. Tatton-Brown and D. Whitehouse, Roman Cameo Glass in the British Museum, British Museum Press 2010, wird in L2011a und L2011b ausführlich Stellung genommen.

 

Der folgende Text, hier leicht ergänzt, wurde während des 15. Kongresses des AIHV, New York/Corning, 15.-20. 10. 2001, als Teil eines Posters präsentiert aber nicht in die Annals aufgenommen. Wenn Sie zitieren wollen, erwähnen Sie bitte Autorin, Kongreß und Website mit Datum

II
Kann man einige Kameogläser früher datieren?

Geformte Reliefplatten, Schmuck oder Einlagen aus Ägyptischer Fayence gab es in Ägypten mindestens seit der 18. Dynastie. Fayenceobjekte wurden keramikähnlich aus pulverförmigen Bestandteilen geformt und gebrannt, während Glasobjekte entweder aus Glaspulver gesintert oder aus wiedererhitzen Brocken gepreßt worden sind. In der Ptolemäerzeit wurden die geformten Glaseinlagen immer raffinierter. Es ist deshalb nicht überraschend, daß die ersten geschnittenen Kameosteine auch diese Kunst inspirierten. Mehrere dreischichtige Glaskameo-Porträts Ptolemäischer Könige sind bekannt, die ins 2. oder in die erste Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. datiert werden [D. Plantzos, Ptolemaic cameos of the second and first centuries B.C., Oxford Journal of Archaeology, v. 15, no. 1, 1996, 39-61]. Es gibt kaum einen Zweifel, daß ihre Herstellung die Tradition der eben erwähnten geformten Reliefplatten und -Einlagen fortsetzt. Ihr Aussehen entspricht dem anderer dreischichtiger Glaskameos. Für diese wurde die Verwendung von Glasmehl für den Kameodekor festgestellt - völlig in Übereinstimmung mit den unabhängigen Untersuchungen von C. Weiß [Lierke in L1999, S.77-79 und C. Weiß ebenda S.80-82].

Ein kleiner Umweg führt zu den Kameoglas-Gefäßen. Geschlossene ‘Achatglas’ oder ‘gebänderte’ Gläser ohne starke Kernspuren gab es wahrscheinlich schon im zweiten Jh. v. Chr.  Doch die kleinen Glasröhren, die man benutzt hat, um in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. die ersten kleinen dünnwandigen Glasgefäßchen zu blasen, wären nie kräftig genug gewesen, um einen dickwandig vorfabrizierten Achatglasrohling aufzunehmen und auszublasen. Metallblaspfeifen wurden offenbar erst in der 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. benutzt, um große Urnen zu blasen. Die ‘Achatgläser’ und die bekannten kleinen Goldbandgläser sind ein Beweis dafür, daß es möglich war, Hohlgläser ohne Blasen herzustellen. Beide Gläsertypen zeigen gelegentlich - wie auch einige Kameogläser - Fließspuren im Hals, die beim geblasenen Glas nicht vorkommen. [Mehr Information zum frühen Hohlglas in L1999, S. 61-66].

In jedem Fall waren auch schon vor dem letzten Viertel des 1. Jhs. v. Chr. die technologischen Voraussetzungen vorhanden, um Kameoglas-Gefäße herzustellen. Man konnte Glaskameen formen und man war in der Lage, Hohlgläser zu produzieren. Diese beiden Fähigkeiten mußten nur miteinander vereinigt werden. Die wenigen erhaltenen frühen Kameoglas-Gefäße werden heute alle ins späte 1. Jh. v. Chr. oder in die erste Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. datiert. Lediglich die Corning Kameo-Laginos no. 68.1.1 (vermutete Herkunft: das östliche Mittelmeergebiet) wurde durch A. Oliver vorsichtig dem späten 2. oder dem 1. Jh. v. Chr. zugeschrieben [A. Oliver Jr., Glass Laginoi, Journal of Glass Studies, v.14, 1972, pp. 17-22]. Ihre zahlreichen Keramikparallelen datiert man 3./1. Jh. v. Chr..

Die Suche nach Keramikparallelen für andere Kameogläser liefert erstaunliche Ergebnisse. Die Bodenrosette (a) des kleinen Kameobalsamariums im Gettymuseum [in der unten gegebenen Übersicht], das aus Eskisehir/Türkei stammen soll, paßt fast genau in ein Formfragment aus Kyme bei Izmir (b), das durch J. Bouzek ‘ungefähr 2. Viertel des 2. Jhs. v. Chr. datiert wird. Sie ähnelt außerdem vielen anderen Rosetten sogenannter ‘Megarischer Becher’ (Bsp. c und d, datiert 2. Jh./1. Hälfte 1. Jh. v. Chr.). Letzteres stimmt ebenso für die achtstrahlige Rosette (e) des Morgan Cup im Corning Museum, der von der türkischen Schwarzmeerküste kommen soll. Die Abbildungen f-h zeigen Beispiele ähnlicher Rosetten, die 145-100 v. Chr. bzw. 1. H. 2. Jh. v. Chr. oder 2./3. Viertel 2. Jh. v. Chr. datiert werden.

Die Kameogläser müssen natürlich nicht unbedingt um die gleiche Zeit hergestellt worden sein wie die Keramikgefäße mit vergleichbaren Dekorelementen, es ergibt sich jedoch die Möglichkeit, daß einige Kameogefäße älter sind als man bisher dachte. Keramische Bodenrosetten treten nach den Megarischen Bechern nicht mehr auf.

Vergleichbare Bodenrosetten von Kameoglas-Gefäßen (a und e) und Reliefkeramik

# (a) Kameo-Balsamarium, letztes Viertel 1. Jh. v. Chr./1. Viertel 1. Jh. n. Chr., Paul Getty Museum acc. no. 85 AF 84 (D.B. Harden et al. Glas der Cäsaren 1987, 83-84, Foto Museum). # (b) Keramisches Formfragment, 2./3. Viertel 2. Jh. v. Chr. (J. Bouzek, Anatolian coll. of Charles Univ. 1974, pl. 2/14. # (c) Megarischer Becher, 1. Hälfte 2. Jh. v. Chr. (G. de Luca, W. Radt, Sondagen im Fundament des Altars, Pergamenische Forschungen v. 12, 1999, Beilage 13/530). # (d) Megarischer Becher (Bouzek, siehe b, pl. 5/25). # (e) Morgan Becher, 1. Hälfte 1. Jh. n. Chr. , Corning Museum of Glass acc. no. 51.1993 (D. Whitehouse, Roman Glass in the Corning Museum of Glass, v. 1, 1997, 48-51). Das gleiche Gefäß wurde durch E. Simon ‘3. Viertel 1. Jh. v. Chr. oder früher’ datiert (J. Glass Studies v. 6, 1964, 13-30). # (f) Megarischer Becher, 145-100 v. Chr. (S. Rotroff, Hellenistic Pottery: Athenian and Imported Moldmade Bowls, The Athenian Agora, ASCSA 1982, pl. 87/322). # (g) Megarischer Becher, ~1. Hälfte 2. Jh. v. Chr. (Bouzek vgl. b), pl. 7/44). # (h) Megarischer Becher, 2. oder 3. Viertel 2. Jh. v. Chr., Nationalmuseum Athen, acc. no. 14624 (U. Hausmann, Hellenistische Reliefbecher aus attischen und böotischen Werkstätten, 1959, ppl. 37/2)

Es fällt außerdem auf, daß allen Kameogläsern und allen keramischen Parallelen, die hier erwähnt wurden, entweder sicher oder vermutet eine östliche Herkunft zugeschrieben wird. Das gleiche gilt für zwei weitere Kameogefäße, einen Skyphos oder besser ‘Goblet Kantharos’ im Getty Museum, der aus einer Parthischen Gruft im Iran kommen soll und ‘letztes Viertel 1. Jh. v. Chr./1. Viertel 1. Jh. n. Chr. datiert wird [in Harden et al., siehe oben, S. 68]), sowie für ein kleines Gefäß des gleichen Typs [Sotheby’s, Ancient Glass, London, 20. 11. 1987, S. 64-67]. Letzteres zeigt eine Kampfwagenszene [siehe auch die Zeichnung in Text I, 2 ], die - wie der Gefäßtypus selbst - als typisches Sujet östlicher Kunst gilt. So stammen vielleicht die ersten Kameogläser wirklich nicht aus Rom sondern aus einer Gegend irgendwo zwischen Ägypten und Kleinasien, wie oft in der älteren Literatur angenommen wurde. Da die Kameogläser nicht geblasen wurden, gibt es keinen technologischen Grund, eine frühere Erfindung dieser wahren Edelsteine der Glaskunst auszuschließen, und es gibt möglicherweise auch keinen Grund, die häufigen ägyptisierenden Motive früher Kameogläser alle als Römische Modeerscheinung zu erklären. R. Lierke, 20. 7. 2003 (‘Onyx’- durch ‘Achat’glas ersetzt 3.5.12)

 

D     Home  P ublikationen   Glastöpferei   Techniken    Kameoglas   Diatretglas   Hedwigsbecher   Craqueléglas   Werdegang    D

E   EnglishHome   Publications   GlassPottery   Techniques    C ameoGlass   CageCups    HedwigBeakers   Craquele    Vita    E